Mittwoch, 9. März 2011

Bericht des NDR über Finanzdienstleisters AWD Liste belegt tausendfache Fehlberatung

Und wieder eine Bestätigung, dass die Meisten nicht klar denken können. Hierzu eine Kolumne von Rolf Dobelli.
Nun es gibt menschliche Schwächen, unter anderem die Gier, Gier frisst Verstand. Das nutzen solche Firmen aus. Auch will in Deutschland ja niemand für eine qualifizierte Beratung etwas bezahlen. Dann kommt so etwas heraus.
Bericht des NDR über Finanzdienstleisters AWD

Liste belegt tausendfache Fehlberatung

Ein bislang geheimer Datensatz bringt AWD-Gründer und Politikerfreund Carsten Maschmeyer weiter in Bedrängnis. Die interne Liste dokumentiert, dass zehntausende Kunden des Finanzdienstleisters viel Geld mit so genannten "geschlossenen Fonds" verloren haben. Viele von ihnen haben zusätzlich hohe Schulden in Kauf genommen, da der AWD ihnen die Beteiligungen auf Kredit vermittelte.
Von Kristopher Sell, NDR
Die Verluste von Anlegern des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD sind offenkundig sehr viel größer als von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer bislang zugegeben. Der erneut in die Diskussion geratene Maschmeyer sprach in jüngster Zeit immer wieder von Einzelfällen. Jetzt präsentiert der NDR eine Liste mit den Namen und Beteiligungssummen von über 30.000 Anlegern, die in verlustreiche "geschlossene Fonds" investiert hatten. Dabei handelt es sich um hochriskante Finanzbeteiligungen, die auch einfache Anleger zu haftenden Unternehmern machen.
Besonders dramatisch ist, dass laut Liste mindestens 20 Prozent der Beteiligungen den AWD-Kunden kreditfinanziert vermittelt wurden. Tausende Anleger sitzen daher zusätzlich auf hohen Schulden. Verbraucherschützer sehen darin einen Beleg für systematische Fehlberatung. Der AWD lehnt eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Datensatz ab. Ein Sprecher verwies gegenüber dem NDR auf das Geschäftsgeheimnis.

Hohe Provisionen für AWD

Die AWD-interne Liste, die auch dem Magazin "Stern" vorliegt, nennt eine Vermittlungssumme von rund einer Milliarde Euro. Anlegern, die auf der Liste stehen, hatten AWD-Berater in den 90-er Jahren sogenannte "Drei-Länder-Fonds" vermittelt. Diese Fonds brachten den Beratern und dem AWD extrem hohe Provisionen, entwickelten sich aber nach Beobachtungen der neutralen Stiftung Warentest allesamt schlecht. Leidtragende waren die Anleger, die auch nach Abzug von Ausschüttungen und möglichen Steuervorteilen großenteils hohe Verluste - teilweise von mehreren zehntausend Euro - hinnehmen mussten.
Die Liste belegt erstmals, dass tausenden Anlegern auch Kredite zur Finanzierung ihrer riskanten Investments vom AWD vermittelt worden waren. Wenn wegen schlechter Entwicklung der Fonds die Ausschüttungen zurückgingen oder gar ganz ausblieben, hatten diese Kunden einen doppelten Schaden: Den Verlust des Investments und hohe Kreditschulden. Ariane Lauenburg, Redakteurin der Zeitschrift "Finanztest" der Stiftung Warentest, wirft dem AWD daher "systematische Falschberatung" seiner Kunden vor. "Ich glaube, dass das Handeln des AWD auf Gewinn ausgerichtet war und nicht auf die Zufriedenheit der Kunden und dass dadurch so viele Anleger geschädigt wurden", so Lauenburg gegenüber dem NDR.
Die Stiftung Warentest hatte den AWD bis 2006 zehn Jahre lang auf einer Warnliste für Anleger geführt. Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter, der seit Jahren AWD-Opfer vertritt, geht davon aus, dass der AWD durch die Vermittlung zahlreicher Finanzprodukte einen Gesamtschaden in Milliarden-Höhe verursacht hat.

AWD-Führung kennt Probleme offenbar seit Jahren

Dokumente weisen daraufhin, dass dem AWD offenbar schon im September 2002 bekannt gewesen war, dass es mit mehreren "Drei-Länder-Fonds" gravierende Probleme gab. Ausweislich eines Sitzungsprotokolls, das dem NDR zur Einsicht vorgelegen hat, berieten führende AWD-Manager unter anderem, wie sie klagewillige Anleger ruhig stellen und den ehemaligen FDP-Bundesminister Günter Rexrodt und damaligen AWD-Aufsichtsrat zugunsten des AWD "instrumentalisieren" konnten. Außerdem wurde eine Presse-Strategie beraten. Dazu der AWD in einer Stellungnahme: "Zu einem solchen angeblichen Treffen gibt es keine Erkenntnisse."

Maschmeyers Beziehungen bald Thema im niedersächsischen Landtag

Carsten Maschmeyer, der den Finanzdienstleister vor wenigen Jahren für mehrere hundert Millionen Euro an den Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life verkauft hat, gehört heute zu den reichsten Männern Deutschlands. Er ist der Lebensgefährte von Schauspielerin Veronica Ferres. Maschmeyer unterhält freundschaftliche Beziehungen zu Spitzenpolitikern fast aller Parteien, darunter Bundespräsident Christian Wulff und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Mit dem ehemaligen Wirtschaftsweisen Bert Rürup hatte Maschmeyer 2009 die Beratungsfirma "MaschmeyerRürup AG" gegründet.
Vergangene Woche hatte der "Spiegel" berichtet, dass Gerhard Schröder 2006 eine Million Euro von Maschmeyer erhalten hat. Im Gegenzug habe Maschmeyer die Rechte an den Memoiren Schröders erhalten. Bereits 1998 hatte Maschmeyer eine teure Wahlkampf-Anzeige für Schröder bezahlt, der damals noch niedersächsischer Ministerpräsident war. Im vergangenen Sommer hatte sich Christian Wulff kurz nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten in einer Luxus-Villa Maschmeyers auf Mallorca eingemietet. Zu Maschmeyers privater Geburtstagsfeier im Mai 2010 empfing der AWD-Gründer unter anderem auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Der niedersächsische Landtag wird sich demnächst mit der Verbindung Maschmeyers zu Spitzenpolitikern aus dem norddeutschen Bundesland auseinandersetzen. Die Linkspartei hat eine große Anfrage in das Plenum eingebracht. Damit will die Partei nach eigener Auskunft erreichen, dass "sich die die Landesregierung endlich mit den vielfältigen Einflüssen von Maschmeyers Firmen auf die Politik beschäftigt". Seit der Ausstrahlung einer kritischen Fernsehdokumentation in der ARD ("Der Drückerkönig und die Politik") im Januar geht Maschmeyer mit Anwälten gegen den NDR und die Autoren vor.

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